Wir Menschen gehören der Gattung Homo an, die es schätzungsweise schon seit rund 2,5 Millionen Jahren gibt. Vor etwa zwei Millionen Jahren gab es eine evolutionäre Sternstunde, als das Gehirn unserer Vorfahren sich vergrößerte und der Homo erectus entstand.1 Dieser war ein Allesfresser und ernährte sich als Jäger und Sammler von Fleisch und Pflanzen, wie es der heutige Mensch an und für sich auch tut.

Im Lauf der letzten Jahre hat sich in unserer Gesellschaft ein klarer Trend hin zu einem fleischlosen Lebensstil entwickelt. Eine Befragung von Personen im Alter ab 18 Jahren aus zehn Ländern zeigte, dass die Hälfte von ihnen ihren Fleischkonsum in den letzten Jahren reduziert hatte.2 Österreich besaß unter diesen Ländern sogar den höchsten Anteil an Veganer:innen.

Fleisch als Klimasünde

Der Verzicht auf Fleisch ist keineswegs eine Errungenschaft der heutigen Zeit, denn schon sehr früh und in verschieden Kulturen wurde ein Verzicht auf Fleisch dokumentiert: Bereits 3200 Jahre vor Christus glaubten beispielsweise die Ägypter, durch eine vegetarische Ernährung die Chance auf Wiedergeburt zu erhöhen. Und im antiken Griechenland war der Philosoph Pythagoras einer der bekanntesten Vegetarier. Erst in der christlichen Ära geriet eine fleischlose Ernährung in den Hintergrund.3

Burger, Vegan, Vollkorn
Wie auch bei diesem Burger bewegt sich die Ernährung weg vom Fleisch hin zur Pflanze. Wie sieht das die Wissenschaft?
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Heute entscheiden sich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen dazu, Fleisch den Rücken zu kehren – sei es aus ethischen Bedenken, aufgrund einer Fleischallergie, wegen eines Angebots an besseren Alternativen oder dem steigenden Bewusstsein für den Klimawandel. Eines steht jedenfalls außer Frage: Fleischkonsum hat einen negativen Einfluss auf unsere Umwelt. Rund 23 Prozent der totalen Gasemissionen gehen auf die Landwirtschaft zurück, die somit zu den größten Antreibern des Klimawandels zählet. Es wird geschätzt, dass alleine die Viehwirtschaft zwischen zwölf und 18 Prozent zu den totalen Gasemissionen beisteuert.4 Daneben trägt die Viehzucht mancherorts auch zu Wasserverschmutzung und -knappheit bei. Schätzungsweise braucht man für die Produktion eines Kilogramms Protein vom Rind achtzehnmal mehr Land, zehnmal mehr Wasser, neunmal mehr Treibstoff, zwölfmal mehr Düngemittel und zehnmal mehr Pestizide als für ein Kilogramm pflanzliches Protein von Kidneybohnen.5

In einer Zeit, in der bewusster Konsum und ethische Verantwortung gegenüber der Umwelt immer mehr in den Fokus rücken, stellt sich somit die Frage: Braucht der Mensch wirklich Fleisch?

Vegetarisch, vegan und Co

Neben der "klassischen" Ernährungsweise mit Fleisch gibt es auch zahlreiche fleischlose Alternativen, die sich durch verschiedene Eigenheiten auszeichnen. So etwa wird bei der vegetarischen Ernährung einfach Fleisch weggelassen. Veganer:innen hingegen nehmen überhaupt keine tierischen Produkte zu sich – kein Fleisch, keine Milch oder Eier, keinen Fisch und in der Regel auch keinen Honig.

Es gibt aber noch eine ganze Fülle anderer Ernährungsstile, die in der Regel nicht ganz so bekannt sind: Pescetarier essen kein Fleisch, aber trotzdem Fisch. Menschen, die sich als Flexitarier:in bezeichnen, leben nicht zu jeder Zeit vegetarisch und gönnen sich selten auch mal Fleisch in kleinen Mengen. Und Lakto-Vegetarier:innen verzehren neben pflanzlicher Kost auch Milch und Milchprodukte. Ovo-Vegetarier:innen machen bei Eiern eine Ausnahme, essen aber sonst keine tierischen Produkte.6

Verzicht auf Fleisch fördert die Gesundheit

Laut der World Health Organization (WHO) wird eine hauptsächlich pflanzliche Ernährung in Kombination mit wenig Salz, Zucker und gesättigten Fettsäuren als gesund angesehen.7 Ebenso gilt es als gesundheitsfördernd, wenn man auf rotes Fleisch – wie etwa Rind, Schwein oder Lamm – sowie auf verarbeitetes Fleisch, wie beispielsweise Würstel oder geräuchertes Fleisch, verzichtet. Ob auch weißes Fleisch, also Geflügel, einen negativen Einfluss auf die Gesundheit hat, ist aktuell noch unklar.

Kein oder ein geringer Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch stehen jedenfalls mit einer Senkung eines frühen krankheitsbedingten Todes in Verbindung. Es vermindert sich dadurch auch das Risiko, an nicht-übertragbaren Krankheiten zu sterben. Dazu zählen beispielsweise Krebs, Blutkreislauferkrankungen, Diabetes oder chronische Lungenerkrankungen, und diese machen immerhin 71 Prozent der frühzeitigen Todesfälle weltweit aus.8 Studien belegen außerdem, dass eine vegetarische oder vegane Ernährung Herzerkrankungen und Schlaganfällen vorbeugen kann.9-11

Ein fleischloser Lebensstil, besonders vegane Ernährung, kann auch positive Auswirkungen auf den Blutdruck haben, der einen enormen Risikofaktor für Kreislauf- und Nierenerkrankungen darstellt.12, 13 Außerdem besitzen Menschen, die sich fleischlos ernähren, im Schnitt einen geringeren BMI (body mass index) als Fleischesser:innen, sind also viel seltener übergewichtig. Dies wiederum senkt das Risiko, an Diabetes zu erkranken.14 Des Weiteren deuten Studien darauf hin, dass Vegetarier:innen und Veganer:innen einem geringeren Risiko ausgesetzt sind, an verschiedenen Arten von Krebs, wie Lymphknoten-, Blasen-, Lungen-, Darm- oder Magenkrebs, zu erkranken, als Fleischesser:innen.15, 16

Der World Cancer Research Fund – eine Organisation, die sich seit Jahrzehnten der Krebsprävention widmet – empfiehlt nur geringe Mengen an rotem Fleisch und sehr wenig bis gar kein verarbeitetes Fleisch für ein reduziertes Krebsrisiko.17

Mögliche Nährstoffdefizite bei fleischloser Lebensweise

Fleisch liefert dem Körper allerdings wichtige und gesunde Stoffe. Es ist eine gute Proteinquelle und reich an Mikronährstoffen – also Vitaminen und Mineralien, die für den Menschen lebensnotwendig sind. Im Gegensatz zu Makronährstoffen (Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten) dienen Mikronährstoffe nicht als Energiequelle, sind aber dennoch essenziell für unsere Gesundheit: Fehlen sie im Körper, kann es zu neuronalen Beeinträchtigungen, Knochenproblemen, einem geschwächtem Immunsystem oder mentalen Problemen kommen.18 Daher sollte man bei fleischloser Ernährung darauf achten, dass es nicht zu einer Unterversorgung mit diesen Stoffen kommt. Oft entsteht bei vegetarischer und veganer Ernährungsweise jedoch ein Defizit an Zink, Kalzium, Iod oder Eisen.19, 20

Auch ein Mangel an Vitamin B12 tritt häufig bei Vegetarier:innen und Veganer:innen auf. Dieses Vitamin wird vom menschlichen Körper unter anderem für die Produktion von roten Blutkörperchen, neurologische Funktionen sowie die Herstellung von DNA benötigt, ist aber ausschließlich in tierischem Gewebe und nicht in Pflanzen zu finden. Einige vegetarische Nahrungsmittel, wie zum Beispiel Tempeh oder Fischsauce, die durch Bakterien fermentiert wurden, enthalten auch Vitamin B12, allerdings nur in sehr geringen Mengen. Der Vitamin-B12-Gehalt in Eiern und Milch ist ebenfalls sehr gering und wird durch Verarbeiten oder Kochen noch einmal weniger. 21-23

Bei einer fleischlosen Ernährung wird des Weiteren oft auch zu wenig Vitamin D aufgenommen. Hier haben Pescetarier einen klaren Vorteil gegenüber Vegetarier:innen und Veganer:innen, denn Vitamin D ist außer in Fleisch auch vermehrt in Fischen und Algen zu finden.24 Auch in Eiern ist es enthalten. Vegetarische und vegane Ernährung führt außerdem öfters zu einem Mangel an DHA (Docosahexaensäure). Diese Omega-3-Fettsäure ist ein Bestandteil der Zellmembran von Nervenzellen und es wird angenommen, dass geringe DHA-Werte in Zusammenhang mit neurologischen Beschwerden stehen. Auch für eine gute Spermaqualität sollt ausreichend DHA aufgenommen werden.25,26

Prinzipiell gehen Vegetarier:innen ein geringeres Risiko ein, mit Mikronährstoffen unterversorgt zu sein als Veganer:innen. Doch ob Vegetarier:in, Veganer:in oder eine andere Form von Fleisch-Verweigerer:in – in der heutigen Zeit kann man Mängeln durch eine gut geplante Lebensmittelauswahl oder auch durch die Einnahme von passenden Nahrungsergänzungsmitteln vorbeugen. Bei falscher Planung und Unausgewogenheit kann eine fleischlose Ernährung jedenfalls ungesund sein und unter anderem zu chronischen Entzündungen führen.27 Interessanterweise können aber Personen mit fleischloser Lebensweise im Vergleich zu Fleischesser:innen besser aufnehmen. Dazu zählen etwa manche ungesättigten Fettsäuren, Folat, Vitamin C, E und Magnesium.28

Weniger Protein: Schrumpft der Bizeps vom Salat?

Heute weiß man, dass pflanzliche Proteine um 50 bis 70 Prozent schlechter zu verdauen sind als tierische. Ein möglicher Grund dafür sind deren strukturelle Unterschiede: In Pflanzenproteinen dominiert eine Struktur, die in unserem Verdauungstrakt gegen den für die Aufnahme nötigen Abbau teilweise widerstandsfähiger ist. Zusätzlich verklumpen pflanzliche Proteine vermehrt, was deren Verarbeitung im menschlichen Verdauungstrakt Körper noch einmal erschwert. Über Pflanzen nehmen wir außerdem auch Mehrfachzucker und Stoffe auf, welche die Verfügbarkeit von Verdauungsenzymen verringern, da sie Enzyme für den Proteinabbau blockieren.29-31 Pflanzliche Proteine bestehen auch aus weniger essenziellen Aminosäuren – also Bausteinen von Proteinen, die dem Körper zugeführt werden müssen ­­– als tierische.32

Alles in allem besitzen tierische Proteine eine höhere Wertigkeit als pflanzliche. Das bedeutet, dass tierisches Nahrungseiweiß besser zur Bildung körpereigener Proteine genutzt werden kann als pflanzliches. Daher ist der Muskelaufbau mit rein pflanzlicher Ernährung auch schwieriger, als wenn auch tierische Produkte und Fleisch verzehrt werden. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass eine vegetarische oder vegane Lebensweise Menschen körperlich schwächen muss. Das haben etwa Sportler:innen wie der vegane Tennisspieler Novak Djokovic, der vegane Formel-1 Fahrer und Weltmeister Lewis Hamilton oder die mehrfache Grand-Slam-Siegerin Serena Williams – sie isst mittlerweile wieder Fleisch, hat aber als Veganerin die French Open gewonnen – bewiesen: Sie haben gezeigt, dass es für einen sportlichen Körper und Spitzenleistungen nicht unbedingt Fleisch benötigt.33, 34

Welche Möglichkeiten gibt es also, trotz vegetarischer oder veganer Lebensweise und ohne ergänzende Proteinriegel oder Proteinpulver genügend Protein zu sich zu nehmen? Ein einfacher Trick bei pflanzlichen Proteinen ist es, sie durch Kochen verdaulicher zu machen.35 Naheliegend ist auch, einfach mehr Gemüse und Obst ­und – falls es die persönliche Ernährungsform erlaubt – auch Milchprodukte und Eier­ zu essen. So kann die Proteinzufuhr gezielt erhöht werden, um den Körper mit genügend Aminosäuren zu versorgen. So können dann unter anderem die Muskeln beim Wachsen unterstützt werden.36

Kein automatischer Nährstoffmangel

Wie lautet also die Antwort auf die Frage, ob der Mensch Fleisch braucht? Wenn man es richtig macht, dann nicht. Fleisch ist zwar ein wertvolles Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Proteinen, Vitaminen und Mineralien. Doch ein Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte muss nicht zwingendermaßen zu einem Nährstoffstoffmangel führen – ganz im Gegenteil: Plant man die Auswahl seiner Lebensmittel sorgfältig, ist ein Leben ohne Fleisch sogar gut für die Gesundheit. Voraussetzung ist natürlich immer das entsprechende Wissen zu passenden Alternativen, was bisweilen eine Herausforderung darstellen kann. Im Zweifelsfall kann es nicht schaden, hier auch eine:n Diätolog:in mit einzubeziehen.

Ein Verzicht auf Fleisch kommt außerdem der Umwelt zugute, und auch die Volkswirtschaft könnte von einem Umstieg der Bevölkerung auf eine pflanzliche Ernährung profitieren: Das europäische Gesundheitssystemen könnte so vermutlich Milliarden an Geldern einsparen.37 (Christoph Stifter, 14.2.2024)