Besser einschlafen durch Milch mit Honig?

Frau nach Einschlafen Milch kann helfen

Einschlafen ist nicht immer leicht - Milch mit Honig soll dabei helfen; Bild: Pixabay, CCO

Milch mit Honig ist ein altbekanntes Hausmittel zum Einschlafen. Die in der Milch enthaltene Aminosäure Tryptophan sowie der Zucker im Honig könnten das Geheimnis des Schlaftrunks sein. Die bESSERwisser haben die Datenlage zur Wirkungsweise von Milch mit Honig recherchiert.

Schlaf stellt einen wichtigen Teil unserer täglichen Routine dar und nimmt in etwa ein Drittel unseres Lebens ein: Jede Nacht schlafen wir mehrere Stunden lang, um am nächsten Morgen wieder fit in einen neuen Tag starten zu können. Guter Schlaf ist ebenso wichtig für unser Wohlbefinden wie Essen und Trinken. Doch Schlafen und im Speziellen Einschlafen kann auch eine Herausforderung sein: Rund 45% der Weltbevölkerung plagen sich mit Schlafstörungen. Dabei kann ein andauernd schlechter Schlaf zu gravierenderen Problemen als Augenringen führen und etwa das Risiko erhöhen, an Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit oder Depressionen zu erkranken [1].

Die Zentrale des Schlafs: das Gehirn

Die zentrale Schaltstelle für unseren Schlaf ist das Gehirn. Wie dieses unseren Schlaf-Wach-Zyklus genau steuert, ist noch nicht gänzlich geklärt. Man weiß aber bereits, dass daran mehrere wichtige Schaltkreise in unserem Gehirn beteiligt sind. So kontrollieren spezielle Nervenzellen im Thalamus, dem größten Teil des Zwischenhirns, sowohl das Einschlafen als auch das Aufwachen [2]. Auch ob wir schon frühmorgens topfit sind oder erst in den Abendstunden in Fahrt kommen, bestimmt unser Gehirn: In einer erbsengroßen Region des Zwischenhirns – dem so genannten suprachiasmatischen Kern – steuert unsere „innere Uhr“ den Biorhythmus. Die Hell-Dunkel-Phasen des Tagesablaufs, Klimafaktoren sowie gesellschaftliche Einflüsse sind von hier aus Taktgeber für viele Vorgänge in unserem Körper. So etwa werden mehrere Gene im Tag-Nacht-Rhythmus reguliert. Die Lehre des zeitlichen Rhythmus biologischer Prozesse wird als Chronobiologie bezeichnet (verlinken auf Artikel „Chronobiologie“ auf OSc-Website).

Melatonin – Schlafhormon und Wunderwaffe?

Unser Schlaf-Wach-Zyklus wird durch das Hormon Melatonin reguliert. Dieses wird bei Dunkelheit durch Impulse aus dem suprachiasmatischen Kern in der Zirbeldrüse im Zwischenhirn produziert und in den Blutkreislauf abgegeben [1], und erst genug Melatonin lässt uns einschlafen. Dem Schlafhormon werden neben seiner schlaffördernden Funktion auch andere Eigenschaften zugeschrieben: Melatonin wirkt Jetlag entgegen, ist ein Antioxidans, wirkt sich positiv auf unserer Immunsystem aus und ist entzündungshemmend [3]. Des Weiteren ist Melatonin auch als Anti-Tumor-Wirkstoff bekannt, und eine Vorstufe dieses Hormons soll den Alterungsprozess verlangsamen [4, 5]. Die durch Schlaf angekurbelte Melatonin-Produktion hat somit viele bekannte positive Wirkungen auf den Körper.

Müdemacher Tryptophan

Da Melatonin auch in Pflanzen, Insekten, Pilzen und sogar Bakterien vorkommt, kann es nicht nur vom Körper hergestellt, sondern auch über die Nahrung aufgenommen werden.

Für die körpereigene Produktion von Melatonin wird Tryptophan benötigt. Diese Aminosäure ist nicht nur am Aufbau von Eiweißen (Proteinen) beteiligt, sondern auch für eine Reihe lebensnotwendiger Prozesse wichtig – unter anderem die Synthese von Melatonin. Tryptophan stellt eine wichtige Vorstufe des Schlafhormons dar: In der Zirbeldrüse im Gehirn wird Tryptophan zunächst in das Glückshormon Serotonin umgewandelt, aus dem dann Melatonin entsteht. Daher ist Tryptophan wesentlich an der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt [6]. Damit Tryptophan im Gehirn zur Bildung von Melatonin zur Verfügung steht, muss es zunächst einmal über die so genannte Blut-Hirn-Schranke dorthin gelangen. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel begünstigt diesen Transport [7].

Da der Körper Tryptophan selbst nicht herstellen kann, muss diese Aminosäure über die Ernährung aufgenommen werden. Zahlreiche Studien belegen, dass die Einnahme von Tryptophan in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder tryptophanreicher Ernährung den Schlaf verbessert [8]. Auch durch Melatonin-reiche Ernährung konnte die Schlafqualität verbessert werden [9].

Milchproteine für guten Schlaf

Bei der schlaffördernden Wirkung bestimmter Nahrungsmittel kommen nun auch Milch und Milchprodukte wie Cottage Cheese, Hartkäse und Joghurt ins Spiel, denn sie sind reich an Tryptophan: Das in der Milch enthaltene Kasein und die Molkenproteine stellen gute Quellen für diese Aminosäure dar [10]. Wie gezeigt werden konnte, führt eine Dosis des Molkenproteins alpha-Laktalbumin vor dem Schlafengehen zu allgemein besserem Schlaf [11]. Auch die abendliche Gabe von Tryptophan half bei Schlaflosigkeit [12]. Die Dosis an Tryptophan, die für die Versuche teilweise eingesetzt wurde, kann mit einer Tasse Milch allerdings nie erreicht werden: Tryptophan wirkt sich erst ab einer Menge von rund 250 Milligramm wesentlich auf den Schlaf aus – ein Glas Milch enthält jedoch nur etwa 100 Milligramm dieser Aminosäure.

Milch beinhaltet des Weiteren auch viele Mikronährstoffe, welche für die Umwandlung von Tryptophan zu Melatonin benötigt werden. So etwa wird Vitamin B6 für die Produktion von Serotonin aus Tryptophan benötigt, und Magnesium und Zink kommen bei der Umwandlung von Serotonin zu Melatonin zum Einsatz [13].

Spärliche Studienlage zu Milch als Einschlafhilfe

Die allgemeine Studienlage zur Wirkung von Milch auf die Schlafqualität ist allerdings spärlich. Einige Studien konnten zeigen, dass sowohl ein sehr hoher als auch ein sehr niedriger Milchkonsum mit eher schlechtem Schlaf in Verbindung stehen [9]. Dass ein sehr niedriger Milchkonsum mit schlechterem Schlaf korreliert, erscheint nicht überraschend. Die negative Auswirkung von zu viel Milch auf den Schlaf könnte laut Expert:innen das Resultat einer Entzündungsreaktion sein, verursacht durch die gesättigte Fette und den Zucker in der Milch.

Leider wurde nur in den wenigsten Studien ein Zusammenhang vom Milchkonsum kurz vor dem Zubettgehen und der Einschlafdauer untersucht. Bei einer der raren Studien, die sich dieser Fragestellung widmeten, konnten die Versuchspersonen nach dem Konsum von Milch besser einschlafen [14]. Für aussagekräftige Daten sind hier jedoch noch weitere Studien nötig.

Honig als Transporthelfer für Tryptophan

Honig ist ein vielfältiges Naturprodukt: Neben verschiedenen Zuckern enthält das „flüssige Gold“ unter anderem Antioxidantien, die im Körper freie Radikale binden und so Zellschäden vorbeugen sowie entzündungshemmende und antibakterielle Stoffe. Durch das Beimengen des Honigs zur Milch könnten dessen Zucker den Tryptophan-Transport ins Gehirn beschleunigen – so zumindest die Theorie. Wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt es allerdings bisher noch nicht.

Fazit

Milch enthält neben vielen anderen wertvollen Nährstoffen auch die Aminosäure Tryptophan, die für die körpereigene Produktion des Schlafhormons Melatonin benötigt wird. Zahlreiche Studien belegen die positive Wirkung von Tryptophan und Melatonin auf den Schlaf, und von Zuckern ist bekannt, dass die den Transport von Tryptophan ins Gehirn beschleunigen. Doch wissenschaftliche Daten zur Wirkung von Milch mit Honig auf die Einschlafdauer und die Schlafqualität sind rar. Aber selbst, wenn es wissenschaftlich nicht klar erwiesen ist, dass ein warmes Glas Milch mit Honig das (Ein)schlafen verbessern kann: Man darf hier die Kraft unserer Psyche nicht außer Acht lassen. Schon der Gedanke an Omas Honigmilch lässt viele von uns wohlige Wärme verspüren und könnte uns in schönen Kindheitserinnerungen schwelgend schneller ins Land der Träume reisen lassen.

 

Referenzen:

[1] National institute of Neurological Disorders and Stroke: Brain Basics: Understanding Sleep. Abgefragt am 08.01.2024

[2] Gent TC, Bandarabadi M., Herrera CG et al.: Thalamic dual control of sleep and wakefulness (2018). Nat Neurosci 21, 974–984 (2018). https://doi.org/10.1038/s41593-018-0164-7.

[3] Ahmad SB, Ali A., Bilal M., Rashid SM, Wani AB, Bhat RR and Rehman MU: Melatonin and Health: Insights of Melatonin Action, Biological Functions, and Associated Disorders (2023). Cell Mol Neurobiol. 2023 Feb 8 : 1–22. doi: 10.1007/s10571-023-01324-w.

[4] Martín Giménez VM, de Las Heras N., Lahera V., Tresguerres JAF, Reiter RJ and Manucha W.: Melatonin as an Anti-Aging Therapy for Age-Related Cardiovascular and Neurodegenerative Diseases (2022). Front Aging Neurosci. 2022 Jun 3;14:888292. doi: 10.3389/fnagi.2022.888292.

[5] Mafi A., Rismanchi H., Gholinezhad Y., Mohammadi MM, Mousavi V., Hosseini SA, Milasi YE, Reiter RJ, Ghezelbash B., Rezaee M., Sheida A., Zarepour F., Asemi Z., Mansournia MA and Mirzaei H.: Melatonin as a regulator of apoptosis in leukaemia: molecular mechanism and therapeutic perspectives (2023). Front Pharmacol. 2023 Aug 14;14:1224151. doi: 10.3389/fphar.2023.1224151.

[6] Bhat A., Pires AS, Tan V., Babu Chidambaram S. and Guillemin GJ: Effects of Sleep Deprivation on the Tryptophan Metabolism. Int J Tryptophan Res. 2020 Nov 23;13:1178646920970902. doi: 10.1177/1178646920970902.

[7] Komada Y., Okajima I. and Kuwata T.: The Effects of Milk and Dairy Products on Sleep: A Systematic Review. Int J Environ Res Public Health. 2020 Dec 16;17(24):9440. doi: 10.3390/ijerph17249440.

[8] Sutanto CN, Loh WW and Kim JE.: The impact of tryptophan supplementation on sleep quality: a systematic review, meta-analysis, and meta-regression (2022). Nutr Rev. 2022 Jan 10;80(2):306-316. doi: 10.1093/nutrit/nuab027. PMID: 33942088.

[9] Zuraikat FM, Wood RA, Barragán R, St-Onge MP. Sleep and Diet: Mounting Evidence of a Cyclical Relationship. Annu Rev Nutr. 2021 Oct 11;41:309-332. doi: 10.1146/annurev-nutr-120420-021719.

[10] St-Onge MP, Zuraikat FM and Neilson M.: Exploring the Role of Dairy Products In Sleep Quality: From Population Studies to Mechanistic Evaluations (2023). Advances in nutrition (Bethesda, Md.), 14(2), 283–294. doi.org/10.1016/j.advnut.2023.01.004.

[11] Markus CR, Jonkman LM, Lammers JHCM, Deutz NEP, Messer MH and Rigtering N.: Evening intake of α-lactalbumin increases plasma tryptophan availability and improves morning alertness and brain measures of attention (2005). The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 81, Issue 5, 2005, Pages 1026-1033, ISSN 0002-9165, doi.org/10.1093/ajcn/81.5.1026.

[12] Schneider-Helmert D. and Spinweber CL: Evaluation of L-tryptophan for treatment of insomnia: a review (1986). Psychopharmacology, 89(1), 1–7. doi.org/10.1007/BF00175180.

[13] St-Onge MP, Zuraikat FM and Neilson M.: Exploring the Role of Dairy Products In Sleep Quality: From Population Studies to Mechanistic Evaluations (2023). Adv Nutr. 2023 Mar;14(2):283-294. doi: 10.1016/j.advnut.2023.01.004.

[14] Xu J., Lao J., Jiang Q., Lin W., Chen X., Zhu C., He S., Xie W., Wang F., Yang, B. et al.: Associations between Milk Intake and Sleep Disorders in Chinese Adults: A Cross-Sectional Study (2023). Nutrients 2023, 15, 4079. doi.org/10.3390/nu15184079.

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